Mittwoch, 24. Juni 2015

Heitersberg


Osten ist mit Abstand meine seltenste Zugrichtung. Aber nach dem Reiz des Unbekannten soll es jetzt mal sein. Ein schönes Bild des Heitersberg-Trails, das ich auf Vazifar's blog entdeckt habe, gibt mir schliesslich den entscheidenden Impuls, den Aargau zu durchqueren. Zudem will ich heute einige Vorurteile abbauen, die ich gegenüber diesem Kanton seit längerem habe. Um es gleich vorwegzunehmen, es sollte mir nicht gelingen. Eher im Gegenteil...

Lange nehme ich mir bei der Tourenplanung Zeit. Die Quizfrage lautet: Wie umfahre ich am besten die grösseren Orte Zofingen, Lenzburg, Wohlen, Brugg, Aarau und den Raum Olten. Schliesslich habe ich die Strecke zusammen und übertrage sie auf mein neues GPS. Da ich diesen Dingern nicht traue, präge ich mir die Tour doch noch gut ein und nehme zur Sicherheit das alte Gerät mit, das aber keine gute Karte drauf hat und vor allem auch nicht auf die Halterung am Bike passt.

Um 09.00 Uhr geht es los Richtung Langenthal. Bis dahin brauche ich noch keine GPS-Führung. Doch bereits bei der Badi kenne ich nicht mehr alles und lasse mich von der modernen Technik leiten. Diese führt mich zuverlässig in den Wald hinter Langenthal – und stürzt dann ab. Minutenlang braucht das Teil, bis es seinen Standort wieder gefunden hat – und stürzt gleich wieder ab. Mit stark erhöhter Stimme spreche ich einige Worte, die wohl nicht im Duden stehen, und fahre einfach mal ohne die "Hilfe" des schweineteuren Geräts weiter, das ich bei einem namhaften Hersteller erstanden habe...

Im Wald verliere ich schon mal völlig die Orientierung und befinde mich plötzlich kopfschüttelnd auf einer Hauptstrasse. In der Ferne ist ein Ortseingangsschild zu sehen. Was dort wohl draufsteht? Ich rate mal: Roggwil oder St. Urban? Mal schauen... Es steht Langenthal drauf. Wie schön. Kurz nach dem Weg gefragt, und eine Wanderwegtafel in Augenschein genommen, geht es weiter. Die moderne Spitzentechnik wird mich nicht zur Aufgabe zwingen! Mit meiner Erinnerung, den Wanderwegtafeln und dem alten GPS-Gerät wird es klappen. Und tatsächlich erreiche ich recht zielsicher Brittnau.

Bei Wikon streife ich den Kanton Luzern und tauche schliesslich endgültig in den Aargau ein. Vielleicht müsste ich es aber eher "eindringen" nennen bei den vielen Bikeverboten, die ich von nun an sehen sollte.  Über einen kleinen Pass erreiche ich das Dorf Bottenwil im Uerkental. Über den Uerkner Berg geht es nach Schöftland, rauf zum Böhlerpass und runter ins Wynental. Und gleich wieder rauf und runter ins Seetal. Wieder rauf und wieder runter nach Villmergen, wo ich mich nochmals verfahre. Knapp an Wohlen vorbei, geht es bei Anglikon wieder rauf zum Weiler Rüti, der gemäss Ortstafel zu Hägglingen gehört.

Hägglingen? Wohnt da nicht Peach Weber, der Knallfrosch aus dem Aargau (oder wars doch die goldene Stimme aus Prag)? Nach einem gedanklichen Guguuseli geht es nix wie gäx runter nach Nesselnbach und über eine nicht willkommene Umleitung beim Kloster Gnadenthal über die Reuss. Jetzt spüre ich zum ersten Mal die Beine, ausgerechnet vor dem "Anstieg des Tages": dem Heitersberg. Diesen erreiche ich schliesslich im Fitness-Zwischentief. Es folgt der Kern der Tour: der Trail über den Heitersberg bis zum Baregg.

Am Heitersberg, Blick nach Bremgarten und Niederwil
Am Heitersberg mit Bellikon im Vordergrund
Am Heitersberg, Blick nach Westen
Heitersberg, bei Sennhof
Sennenberg, Blick auf Würenlos
Sennenberg, Blick nach Wettingen
Sennenberg-Trail 1
Sennenberg-Trail 2
Sennenberg-Trail 3
Sennenberg-Trail 4
Sennenberg, Blick nach Zürich
Sennenberg, von nun an gehts runter
 
Leider entstehen heute nicht sehr viele Bilder. Zu sehr bin ich immer wieder mit der Orientierung und der Suche nach dem richtigen Weg beschäftigt, was die Tour schon genug unrhythmisch macht. Bei Spittelhau (nahe Dättwil) treffen sich unzählige Wege, ein richtiger Knotenpunkt mitten im Wald. Trotzdem gelingt die beabsichtigte Umfahrung von Fislisbach und Mellingen, wenn auch nicht ganz nach Plan. Nach dem Bogen um Lenzburg erreiche ich Brunegg, wo ich den Chestenberg in Angriff nehme. Ein Singletrail spuckt mich schliesslich direkt beim Schloss Wildegg aus.

Schloss Wildegg

Hier entsteht bereits das letzte Aargauer Foto, obwohl ich mich im wahrsten Sinne des Wortes noch mitten im Kanton befinde (der geografische Mittelpunkt liegt zirka anderthalb Kilometer südwestlich des Schlosses). Kurz geistig umnachtet, fahre ich zuerst Richtung Nordosten, finde dann aber doch nach Wildegg. Von jetzt an gehts der Aare entlang. So kommt man am besten an Aarau vorbei. Ich streife die Stadt an ihrem westlichen Ende und nehme die letzte namhafte Steigung zum Engelberg unter die Räder. Nach einigem Auf und Ab erreiche ich diesen in der Abenddämmerung und mache das letzte Bild der Tour.

Engelberg in der Abenddämmerung

Jetzt geht es runter, an der Festung Aarburg vorbei direkt in die Altstadt. Dann über die Aare und somit endgültig aus dem Aargau. Es ist dunkel geworden. Am Born muss ich das Licht einschalten. Danach geht es auf flachem Terrain nach Hause. Ich drücke ziemlich auf die Tube. Nach Aarburg durchfahre ich bis Heimenhausen kein einziges Dorf mehr.
 
Die heutige Tour führte mich in eine mir völlig fremde Gegend. Die einzige bekannte Komponente waren einmal mehr die zahllosen Bikeverbote, die sich durch den ganzen Aargau ziehen, und einem deutlich zeigen, wie Toleranz hier funktioniert – nämlich gar nicht. Dass der Aargau ein Autofahrer-Kanton ist, der auf den Passhöhen direkt neben der Bushaltestelle Gratisparkplätze zur Verfügung stellt, wusste ich vorher schon. Das war mir bereits bei den ersten beiden Aargau-Touren aufgefallen. Dass er gleichzeitig auch ein Anti-Mountainbiker-Kanton ist, wurde mir erst heute richtig klar.

Hier einen Bikeladen zu führen, muss wohl so ähnlich sein, wie wenn jemand im Land der Vegetarier eine Metzgerei eröffnet... Und deshalb frage ich dich, lieber Aargau: Was soll das?! Diese extensive Verbotsflut macht jeden noch so rücksichtsvollen Biker auf schmalem Wege zum Kriminellen und schreckt gleichzeitig keinen unanständigen davor ab, unanständig zu bleiben! Solche Schilder kennen wir in unserer Gegend zum Glück nicht, und meine Begegnungen mit Wanderern sind trotzdem fast ausnahmslos positiv – oder vielleicht gerade deswegen! Schon mal darüber nachgedacht?
 
Höhenprofil

 
 
Tourdaten: Weite 173,7 km / Höhe 3190 m / Fahrzeit 11:00 h


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