Samstag, 24. März 2018

Halbe Kraft voraus...

Seit Tagen laboriere ich an einer Erkältung. Oder sie an mir. Immer wieder kratzt und niest es, und ich bin ziemlich platt. In die Horizontale legen konnte sie mich bis jetzt zwar noch nicht, allerdings musste ich vor etwa einer Woche einen Matchball abwehren – in Form einer Migräne. Und die Partie ist immer noch am Laufen. Es ist aber auch ein Unding, wenn einem die Leute im Zug ins Genick husten. Nur weil sich einige eine Erkältung holen, heisst das doch nicht, dass sie mir eine mitbringen sollen. Es geht mir also wie dem Frühling: Der kränkelt auch...

Heute kann jedoch ein absolut faszinierendes, äusserst seltenes Phänomen am Himmel beobachtet werden: Es hat kaum Wolken. Also sofort raus. Wer weiss, wie lange das anhält. Wohin an einem sonnigen Samstag, wenn einem nicht allzu wohl ist, auf vierstelliger Höhe noch Schnee liegt, man zur Erholung aber trotzdem ein bisschen Höhenluft schnuppern möchte? Oberflächlich betrachte ich die Landeskarte und fahre dann mal los. Mit einem bestenfalls So-lala-Gefühl fahre ich zur Lueg hinauf. Die Sonne macht vieles erträglicher...

Ein Cousin, der mich beim Aufstieg zufällig kreuzt, sollte mir später sagen, er hätte meinen Gesichtsausdruck nicht eindeutig Freud oder Leid zuordnen können. Und in der Tat ist es wohl beides. Freudiges Leiden, erlittene Freude oder was auch immer. Nach der Lueg passiere ich Affoltern, dann geht es über die Höhe zur Neuegg und schliesslich hinab. In Schattenlagen liegt noch etwas Schnee. Auch mein Autopilot versagt: Plötzlich stehe ich mitten in Sumiswald, obwohl ich meinen Heimatort eigentlich umfahren wollte...

Etwas anders als vorgesehen nehme ich die Steigung zum Hof Harisberg und fahre wenig später auf einem steinigen, aber recht breiten Weg hinab zum Weiler Chramershus im Heimisbach. Es folgt eine weitere Auffahrt, deren Belag nach dem Hof Felben von Teer auf Naturstrasse wechselt. Die Wege sind nass und ziemlich morastig. Aber wenn man ständig Schritttempo fährt, kann man das schöne Wetter viel länger geniessen. Ab und zu hat es auch einige Schneefelder, die jedoch problemlos fahrend passiert werden können. Der Blick rüber zur Lüderenalp bestätigt: Gut, bin ich hier und nicht dort...


Chramershus
Chramershus
Einsamer Baum auf einer Wiese
Einsamer Baum bei Oberrotebüel
Emmentaler Hügellandschaft
Ausblick Richtung Jura nahe Geilisgut

Ich fahre ein bisschen über die sanften Hügel oberhalb des Heimisbachs, wo ich beim Fluhhüsli auf bescheidenen 1007 m den höchsten Punkt der Tour erreiche. Beim Leimboden geht es wieder abwärts. Der sehr kurze "Singletrail" auf dem Downhill ist einmal mehr à la Emmental: etwa 30 cm! Allerdings in der Tiefe. In der Breite erreicht er mindestens das Zehnfache. Morastspur würde ich das nennen. Auf der restlichen Abfahrt fliegt mir dann die braune Sosse um die Ohren. Na ja, wenigstens ist sie nicht aromatisiert. Soll heissen: Sie ist nicht unmittelbar tierischen Ursprungs...

Mit brauner Kleidung und einigen Kilos mehr am Bike lande ich wenig später in Thal im Heimisbach und nehme nach kurzer Gegensteigung die Fahrt zum Schloss Trachselwald unter die Stollen. Es ziehen ein paar Wolken auf. Sie sind zwar noch harmlos, kündigen aber bereits die nächste Wetterverschlechterung an. Wird auch Zeit, wir wollen es ja schliesslich nicht übertreiben mit dem Sonnenschein. In meinen Beinen hat hingegen der (saure) Regen schon eingesetzt. Ein Wiesentrail führt mich hinunter nach Adelboden, einem Weiler, der freilich nichts mit dem Ort im Berner Oberland zu tun hat...


Sumiswald von der Harendegg aus
Harendegg, Blick nach Sumiswald
Schloss Trachselwald
Schloss Trachselwald
Innenhof Schloss Trachselwald
Innenhof Schloss Trachselwald

Mit ein paar Verrenkungen geht es diesmal an Sumiswald vorbei nach Weier und dann hinauf nach Affoltern. Über die Otterbachegg und die Wäckerschwend nehme und gebe ich mir den Rest zugleich. Physisch hat sich das einigermassen suboptimal angefühlt heute. Deutlich angenehmer und auch nachhaltiger ist hingegen das Gefühl, alle bisherigen 10 Sonnenstunden des März 2018 ausgenutzt zu haben...


Höhenprofil

 
 
Tourdaten: Weite 76,1 km / Höhe 1680 m / Fahrzeit 4:48 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Heimisbach-Fluhhüsli


Mittwoch, 14. März 2018

Total auf den Hund gekommen...

Scheint da draussen etwa schon wieder die Sonne? Erst vor zwei Wochen hatten wir doch dieses aussergewöhnliche Naturspektakel. Und es soll erneut einen ganzen Tag lang anhalten! Lassen wir die Ironie. Die Natur kann das Wasser brauchen, sagt man. Und ich das Sonnenlicht. Diesen Tag gilt es unbedingt auszunutzen. Nachdem es gestern bis unter 1000 m geschneit hat, sind Höhen über 800 m tabu. Morast mag ich gar nicht – nicht nur, weil man davon dreckig wird. Ich nehme mir eine klassische März-Tour vor. Nichts Spektakuläres, einfach mal ein paar unbekannte Wege und Orte abklappern. In der Hoffnung, es möge da draussen noch ein wenig abtrocknen, warte ich bis zum Vormittag und starte dann mit dem "normalen" Bike Richtung Osten...

Nach den vielen Fatbike-Touren der letzten Zeit fühlt es sich ziemlich ungewohnt an mit den dünnen Reifen. Irgendwie nackt. Und quirlig. Kaum auf dem ersten Waldweg, versaufe ich schon in einer morastigen Traktorspur und überlege mir, das Bike um 180 Grad zu wenden. Wenn das schon so anfängt! Aber der Tag hat Potenzial, also weiter. Meine Haut scheint heute etwas dünn zu sein und sollte im weiteren Verlauf noch deutlich mehr strapaziert werden – allerdings nicht wegen des Morasts. Ich disponiere leicht um, fahre in eher unüblicher Form nach Madiswil und von da kurzzeitig steil hinauf Richtung Gondiswil. Die Sonne versteckt sich hinter jedem Wölkchen, das sie findet. Kurz vor Gondiswil springt mir ein Hund über das offene Feld entgegen und kläfft mich wie gestört an...

Wo sein Herrchen (oder Frauchen) wohl sein mag? Man weiss es nicht. Wie gut, bin ich kein Reh. Sonst würde ich jetzt wohl gewildert. Schliesslich taucht Herrchen in der Ferne auf und nimmt den Hund zu sich. Sehr nett, danke. Nachdem bald darauf das Dorf Gondiswil passiert ist, geht es durch den Röstigraben (oder nennen wir ihn Rüüdiggraben) ins Luzernische. In der Tat bildet die Rot, die hier in einem kleinen Graben verläuft, die Kantonsgrenze. Es geht sofort wieder leicht aufwärts, über eine kleine Hochebene und wieder runter. In der Ferne sehe ich eine Ortstafel mit der Aufschrift "Zell LU", dann folgt die nächste Steigung. Nach einer teils morastigen Abfahrt fahre ich am Dorf Gettnau vorbei, bevor es auch schon wieder bergauf geht...
 
Landschaft bei Gondiswil
Ob Gettnau, Blick Richtung Wauwil
Weg durch die Allee bei Kastelen

Schliesslich erreiche ich mein Tagesziel, die Ruine Kastelen ob Alberswil, wo gleich zwei kläffende Hunde auf mich losrennen. Der erste heisst Leo, der zweite wird nicht namentlich genannt. Damit wäre mein Kontingent für heute bereits erreicht – und die Tour ist noch lang. Wie gut, habe ich keine Angst vor den Viechern. Aber für ängstliche Leute gibt es ja immer noch den beruhigenden Running Gag der Hündeler: Keine Angst, der will nur spielen (und zwar mit deinen Eingeweiden). Ich bin der grösste Tierfreund, den man sich vorstellen kann. Aber bei Hunden gibt es spektakuläre Ausnahmen. Insbesondere dann, wenn sie schlecht oder gar nicht erzogen sind, was wiederum eigentlich nicht deren Schuld ist. Dennoch gilt halt im Notfall das Motto: Fuss, sonst Schuh...

Die Ruine Kastelen kann bestiegen werden, was ich kurz tue. Besonders gross ist die Anlage nicht, aber es reicht bereits, um meine Höhenangst zu bestätigen. Ich mache ein paar Fotos und fahre dann mangels Alternativen ein Stück den gleichen Weg runter und kann somit nicht verhindern, dass Leo mich nochmals verfolgt. Und weit komme ich nicht: Schon beim Gehöft Oberwannern springt der nächste Hund um eine Hausecke und versetzt mir einen Schreck. Diesmal handelt es sich um Jumbo. Dann geht es gemäss Landeskarte einen "Singletrail" hinab. Dieser ist einige Meter breit und gleicht daher eher einer Wanderautobahn als einem Wanderweg. Unten wieder zwei Hunde, die mich aus einem Zwinger heraus wie gestört anbellen. Da ich sie nicht gesehen habe, erschrecke ich erneut...
 
Ausblick bei Kastelen
Im Innern der Burgruine Kastelen
Blick nach Alberswil und Ettiswil

Auf einem schönen Weg fahre ich der Luthern entlang Richtung Schötz (sprich: "Schöz"), dann folgt die Steigung Richtung Bodenberg. Hier oben ist alles friedlich: Ein paar Einzelhöfe, Kapellen, freundliche, güllende Bauern sowie schöne, einsame Wege. Einige dieser Wege sollten gemäss GPS gar nicht existieren und umgekehrt. Ich verliere etwas die Orientierung, muss das Smartphone zücken und die App von SchweizMobil bemühen. In diesem Moment erhalte ich eine Nachricht der Sportlerplattform Strava, ich hätte irgendeine Bestzeit verloren, von der ich nicht mal wusste, dass ich sie je hatte. Dementsprechend gross ist nun mein Schock. Aber als fairer Sportsmann gratuliere ich dem neuen Inhaber, auf dessen Profilbild ein E-Mountainbike zu sehen ist, herzlich zur Topleistung...
 
Burgruine Kastelen
Wallberg ob Schötz
Kapelle nahe Klausenhaus

Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie unendlich stolz einen solch sportliche Höchstleistungen machen können: Ist es mir vor drei Jahren doch tatsächlich gelungen, mit dem Zug Nino Schurter zu überholen. Doch zurück zu den Wurzeln und Steinen, zurück auf den Boden des Bodenbergs. Hier hat mich die App von SchweizMobil wieder auf den richtigen Pfad geführt. Auf einem erneut ziemlich breiten "Singletrail" geht es runter und durch den Zällerwald rasch wieder rauf. Als ich bei Schönenthül am bescheidenen höchsten Punkt der Tour aus dem Wald komme, erblicke ich in etwa 200 Metern Entfernung ein Bänkli mit Frauchen und Hund, der von dort wild kläffend angerannt kommt und mir seine wunderschönen, mit Frolic gepflegten Beisserchen zeigt. Jetzt reicht es mir aber!

Wenn das dem Köter nur hinterherschauende Frauchen jetzt noch einen der üblichen Sie-sind-selber-schuld-Sprüche bringt, wird das bei mir in etwa eine ähnliche Wirkung entfalten wie ein zündendes Streichholz im Wasserstofftank. Dann wird heftig zurück gekläfft. So viele unkontrollierte, unerzogene Köter habe ich noch nie auf einer Tour erlebt. Als ich am Frauchen vorbeigehe, zeige ich ihr ebenfalls meine mit Kukident gepflegten Beisserchen, während der Hund knurrend und bellend vor dem Bike hin und her springt. Frauchen sagt zum Glück gar nichts. Eine Entschuldigung erwarte ich nicht, ich bin Realist. Es sind noch rund 24 Kilometer zu fahren, aber ich ertrage jetzt keinen einzigen solchen Köter mehr. I'm totally fed up, sagt der Italiener...
 
Blick Richtung Schötz
Einsamer Weg ins (scheinbare) Nichts
Beim Bodenberg

Ich durchfahre Gondiswil und nehme wenig später eine mir unbekannte Abfahrt nach Madiswil. Dabei verbrenne ich nicht nur weiter Kalorien, sondern allmählich auch meinen Ärger. Und die Sonne hat mittlerweile die letzten Wolken verbrannt. Auf einem eingezäunten Feldweg bei Wyssbach wird es etwas eng, als der Bauer mit dem Traktor kommt, aber mit Bauch einziehen passt es gerade so. Der Mann bedankt sich und macht einen lockeren Spruch nach Emmentaler Art, wodurch sich meine Laune weiter bessert. Sie ist zwischenzeitlich wieder so gut, ich könnte glatt noch einen streunenden Kläffer ertragen. Darauf ankommen lassen möchte ich es allerdings nicht. Weniger gut fühlen sich derweil meine Atemwege an. Es kratzt ziemlich. Schon erste Anzeichen von Pollen oder eine Erkältung?

Mein ganzes Umfeld lag flach, während ich irgendwie drumherum gekommen bin. Bis jetzt. Nachdem Madiswil passiert ist, fahre ich kurz der Langeten entlang und dann via Rütschelen zum Sängeliweiher. Hier nehme ich noch ein paar "Haustrails". Nach dem Flugplatz Bleienbach, unmittelbar vor den Toren von Herzogenbuchsee, passiert es: ein freilaufender Hund. Nein, bitte nicht. Ich bin doch so nah am Ziel! Der Besitzer ruft ihn zurück und macht dem Tier Handzeichen, dass ich zuerst meine, er wolle ein Flugzeug einwinken. Doch es wirkt: Der Hund gehorcht, sitzt ab, und ich passiere dankend mit vorsichtigem Tempo Herrchen mit Hund. Mensch, so einfach könnte alles sein. Warum nur musste ich heute derart auf den Hund kommen?
 
 
Höhenprofil
 
 
 
Tourdaten: Weite 76,2 km / Höhe 1920 m / Fahrzeit 4:56 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Burgruine Kastelen