Mittwoch, 11. Juli 2018

Verspätete Frühlingstour...

Die heutige Tour musste ich mir gut einprägen, sie führt wieder in weitgehend unbekanntes Gebiet. Ungefähr 08.45 Uhr, rund eine Stunde später als gewollt, kommt das neuste Bike zu seinem fünften Einsatz. Es wird zwar mit Abstand sein kürzester, aber dennoch kein Kurztrip. Bei angenehmen 15 Grad starte ich Richtung Süden. Im Westen und Norden ist der Himmel nahezu wolkenlos, in meiner Fahrtrichtung hingegen prägen dichte und zum Teil auch dunkle Quellwolken das Bild. Einen Moment denke ich sogar daran, spontan umzudisponieren, doch die Tour steckt zu tief in meinem Kopf drin und muss "abgearbeitet" werden. Zudem hat der Tag noch Potenzial, glaubt man den Wetterfröschen...
 
Nach anderthalb Kilometern Fahrt folgen die ersten 100 Höhenmeter zum Steinhof, dann geht es hinab und Richtung Wynigen. Dort bin ich einigermassen eingefahren und nehme eine der zahlreichen Aufstiegsmöglichkeiten zur Lueg auf 850 m. Meine Erfahrung ist: Spüre ich den Uphill zur Lueg, ist der Tag gebraucht; spüre ich ihn nicht, ist alles ok. Heute bin ich zuversichtlich. Affoltern wird durchfahren, dann geht es eine Zeitlang über die Anhöhe. Den mir unbekannten Singletrail über den Münneberg baue ich in die anschliessende Abfahrt ein. Ein paar Burglind-Grüsse, sprich Baumstämme, liegen noch auf diesem Pfad, sind aber gut zu passieren. Bei Ramsei ist die Höhe weitgehend vernichtet und die Emme erreicht...
 
Einem Fluss oder Bach zu folgen, ist immer gut. Es ist reizvoll, man kann sorglos fahren und dabei eigentlich nichts falsch machen. Ich darf nur die "Weiche" bei Emmenmatt nicht falsch stellen. Sonst geht es plötzlich der Ilfis entlang Richtung Langnau. Am westlichen Emmeufer kann jedoch selbst das kaum passieren, und so erreiche ich plangemäss Schüpbach. Der Dorfladen liegt direkt am Weg und ist ein wichtiger Verpflegungsposten. Danach fahre ich eine Weile dem Schüpbachkanal entlang, dann rauf zur Martinsegg, wo die Meereshöhe erstmals vierstellig wird. Hier werde ich von zahlreichen Bremsen angegriffen. Endlich. Wo sind die denn so lange geblieben? Diese ... Biester stechen sogar durch die Kleider hindurch...


Lueg-Denkmal bei Affoltern
Lueg-Denkmal
Sonnenblumenfeld vor dem Wald
Die Blume des Sommers
Blick zur Kapelle Würzbrunnen und Richtung Schrattenfluh
Trüber Blick zur Schrattenfluh bei Mühleseilen
 
Auch vor Intimbereichen schrecken die Blutsauger nicht zurück: Sie landen direkt an dem Ort, wo sich Mann und Frau am deutlichsten Unterscheiden und gaffen einen dann blöd an nach dem Motto: Hau mich doch! An allen anderen Körperteilen reichen erfahrungsgemäss etwa zehn Handschläge, bis die Viecher kaputt sind. Die Wolken sind immer noch dicht, auch wenn ab und zu mal die Sonne durchkommt. Die Fernsicht ist weder das Gelbe noch das Weisse vom Ei, vor allem nicht Richtung Süden. Dennoch steige ich spontan noch die wenigen Höhenmeter zum Chuderhüsi-Turm auf 1130 m hoch. Dort ist mir etwas viel Betrieb, deshalb fahre ich ohne Halt am Turm vorbei und runter zum Weiler Mühleseilen. Hier folgt die kurze Abfahrt nach Jassbach, einem Ortsteil von Linden. Hier war ich noch nie...
 
Um 12.15 Uhr fahre ich an der Bäckerei vorbei, die vor einer Viertelstunde geschlossen hat. Wer zu spät kommt, den bestraft der Bäckermeister. Das hat man davon, wenn man zu Hause ständig rumtrödelt, statt loszufahren. Rasch geht es wieder bergwärts. An der Ortschaft Heimenschwand vorbei, unter einem Skilift durch, und schon ist der höchste Punkt des Tages, die Schafegg auf 1197 m, erreicht. Zum Glück geht es nicht höher hinauf, sonst wäre ich womöglich noch im Nebel versoffen. Die Schrattenfluh jedenfalls steckt tief in den Wolken, die sich in dieser Richtung immer noch hartnäckig halten. Ansonsten gewinnt das Blau allmählich gegen das Grau am Himmel. Auf der Schafegg beginnt ein Singletrail, der mit einigen Ausblicken gespickt über die Anhöhe leicht abwärts führt...


Blick von der Schafegg Richtung Norden
Blick von der Schafegg
Schmaler Pfad im Wald
Trail bei der Schafegg
Pfad über die Wiese zur Falkenfluh
Zwischen Schafegg und Falkenfluh
 
Der Pfad ist technisch einfach zu fahren. Mal leicht bachbettartig, dann ein paar Wurzeln und zwischendurch auch mal Wiese. Mir gefällt er. Am Schluss des Trails ist die Falkenfluh oberhalb von Oberdiessbach erreicht, die wiederum ein schöner Aussichtspunkt ist. Richtung Bern ist die Sicht mittlerweile recht klar, der Blick nach Thun ist jedoch etwas getrübt. Zeit für eine kurze Pause. Ursprünglich war die Abfahrt nach Oberdiessbach geplant, um dort noch etwas einzukaufen. Kurzfristig habe ich umdisponiert, nehme stattdessen den Singletrail runter nach Niederbleiken, und umfahre Oberdiessbach. Dieser Trail ist erwartungsgemäss deutlich kniffliger und steiler mit einem Wurzelteppich zu Beginn und einigen Kehren mit Stufen am Schluss...
 
Das Steilstück mit dem Wurzelteppich kann und will ich nicht fahren, der Rest geht dann meist. Leider endet der Trail bereits auf 800 m Meereshöhe. Insiderwege kenne ich als Ortsunkundiger nicht und muss mich für den Rest der Abfahrt auf das stützen, was die Landeskarte hergibt. Nebst "normalen" Waldwegen ist das zum Schluss leider auch Teer. Im weltbekannten Dorf Herbligen angekommen, befinde ich mich erstmals seit Ramsei wieder unter 600 m. Aber nicht lange: Sofort geht es wieder hinauf. Zwischenzeitlich recht steil, dafür eher kurz ist der Uphill nach Häutligen, das auf einer kleinen Hochebene liegt. Dort oben wollte ich eigentlich in der Dorfbeiz einkehren. Doch unterwegs informiert ein Schild über deren Betriebsferien. Das hatte ich auf der Homepage glatt übersehen...


Blick Richtung Westen von der Falkenfluh
Blick von der Falkenfluh ob Oberdiessbach
Eher trüber Blick auf Thun und zum See
Blick Richtung Thun von der Falkenfluh
Steiler, schmaler Pfad im Wald
Weg von der Falkenfluh nach Niederbleiken
Auf dem Feldweg nach Häutligen
Häutligen kommt ins Bild
Aussichtspunkt Häutligen-Rüteli mit Bernerfahne
Aussichtspunkt oberhalb von Häutligen
Hornusserhütte Tägertschi-Häutligen
Hornusserhütte mit Selbstbedienung
 
Die Einkaufsmeile von Häutligen ist ziemlich überschaubar. Jetzt muss ich einen anderen "Verpflegungsposten" suchen. Dann kommt mir aber die Gastfreundschaft der Hornusser zu Hilfe: Bei der Vereinshütte, die nahe eines schönen Aussichtspunkts leicht oberhalb des Dorfes liegt, prangt gross ein Transparent mit der Aufschrift "Selbstbedienung". Zum Glück habe ich auch das nötige Kleingeld und kann mich hier selbst bedienen. Danach geht es teils bachbettartig runter. Die Sonne hat mittlerweile kaum noch Konkurrenz am Himmel. Mit gut 20 Grad ist es jedoch recht angenehm. Rechter Hand kommt Konolfingen ins Bild, das bis 1933 noch Stalden im Emmental geheissen hat, dann folgt bei Ursellen nochmals ein kurzer, recht steiler Aufstieg...
 
Hier werde ich von einer einzigen, mutigen Bremse angegriffen. Diese hat wenigstens eine bessere Auffassungsgabe als ihre Vorgängerinnen und begreift schon beim Dritten Handschlag, dass sie von uns bzw. mir gehen soll. Bei schätzungsweise 20 Prozent Steigung ist das Abwehren dieser Blutsauger gar nicht so einfach. Den Aussichtspunkt Ballenbühl spare ich mir wegen der schlechten Sicht Richtung Süden. Eventuell mache ich mal eine eigene Tour daraus. Stattdessen fahre ich, durchaus auch mit guter Aussicht, etwas unterhalb vorbei und hinab nach Herolfingen. Auf dem kurzen Downhill vernehme ich ein Geräusch am Vorderrad, das sich wie ein Speichenbruch anhört. Ein kurzer Augenschein widerlegt zum Glück die Befürchtung...


Blick auf Konolfingen am Aufstieg zum Hürnberg
Blick auf Konolfingen bei Obermoos
Kornfeld unter blauem Himmel
Kornfeld bei Hürnberg
Blick Richtung Bern beim Weiler Hürnberg
Hürnberg
 
Auf der weiteren Abfahrt ist kurz das Schloss Wil zu sehen. "Das Schloss Wil ist ein Schloss in Schlosswil", wie Wikipedia es so schön beschreibt. Etwas später passiere ich die zu Worb gehörende Ortschaft Enggistein. Beim kurzen Aufstieg zum Worbberg ziehe ich eine Mini-Formkrise ein. Zudem verliere ich einen Moment die Orientierung. Nur gute 100 Höhenmeter, schon ist der höchste Punkt des Hügels auf 828 m erreicht. Eine kurze Abfahrt, eine steile Auffahrt auf Beton und noch ein bisschen durch den Wald, dann stehe ich auf der Mänziwilegg auf rund 930 m. Hier war ich letztmals am 15. März 2008. Bei der Diepoldshusenegg kann man schön über die Anhöhe fahren, teils wieder mit Weitblick. Lange bleibt man dabei auf über 800 m, bevor es endgültig runter geht...


Worbberg auf 828 m
Worbberg
Mänziwilegg mit Blick Richtung Westen
Mänziwilegg
Emmentaler Landschaft bei der Wasenegg
Bei der Wasenegg
 
Ich folge dem Wanderweg nach Oberburg. Dort komme ich nach 17.00 Uhr an, pünktlich zum Feierabendverkehr. Es gelingt mir aber erstaunlich schnell, die Hauptstrasse zu überqueren. Danach geht es schön ruhig der Emme entlang. Burgdorf ist dann kein Problem. Am östlichen Ufer der Emme wird die Stadt umfahren, dann geht es durch Wald und über Feld nach Wynigen. Die restlichen Kilometer führen unter anderem nochmals über den Steinhof nach Hause. Die bereits im April vorgesehene Frühlingstour ist zur Sommertour geworden...
 

Höhenprofil



Tourdaten: Weite 124,4 km / Höhe 2630 m / Fahrzeit 7:58 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Schafegg / Falkenfluh
 

Montag, 9. Juli 2018

Probleme mit den Bremsen...

Heute drohen, pardon locken Temperaturen an die 30 Grad. Solche Werte sind einfach umwerfend, für mich unter Umständen sogar wortwörtlich. 09.00 Uhr ist eigentlich bereits zu spät für einen Tourenstart; für eine kleine oder höchstens mittellange Runde sollte es aber noch passen. Die 19 Grad sind jedenfalls noch ganz passabel, als ich mit dem Traktor aufs Feld fahre. Ich nehme die Steinbachweiher-Abfahrt – eine der wenigen Varianten, bei der man auf Naturwegen bis an die Aare runterfahren kann. Dann geht es über die Berkenbrücke und wenig später auf einem kurzen Singletrail wieder hinauf in den Wald...
 
Die Wege sind staubtrocken. Nach dem Wald folgt ein gesunder Trail einer Kiesgrube entlang. Gesund deshalb, weil man hier einige Brennnesseln berühren darf. Danach fahre ich knapp an Niederbipp und Oensingen vorbei durch die Klus nach Balsthal. Nachdem auch dieser Ort passiert ist, steige ich durch eine schön schattige Schlucht hinauf zum Weiler Höngen. Ziemlich, teilweise auch sehr steil verläuft der weitere Uphill zum Bremgarten, der ganz offensichtlich weder bei Bern noch an der Reuss liegt. Danach geht es nochmals ganz anständig steil eine Wiese und durch den Wald hinauf zum Lauperdörfer Stierenberg...

Auf dem Weg an die Aare
Laupersdörfer Stierenberg auf 1088 m
Finde den Weg zur Oberen Wengi
 
Selbst das Fattie droht hier ab und zu den Boden unter den Füssen bzw. Stollen zu verlieren. Mein Schweiss tropft und lockt Ungeziefer an. Ich bin ein dankbares Ziel für die Bremsen, die mich regelrecht fertig machen. Ganze Schwärme stürzen sich auf mich. Doch lautes Fluchen schreckt die elenden Biester nicht wirklich ab. Und "freiwilliges" Absteigen ist fahr- und motivationstechnisch suboptimal. Am Ende des Waldes folgt dann ein Weidetor, das mich zum Absteigen zwingt. Mit einer beherzten Schuhplattler-Einlage gelingt es mir nun, gegen die Stechbiester auf ungefähr 50 zu 120 Treffer zu verkürzen...
 
Mit viel Adrenalin dresche ich auf die unangenehmste Nebenerscheinung des Sommers ein, so dass am Ende die Handschläge fast mehr schmerzen als die Bremsenstiche. Schliesslich erreiche ich das Restaurant Laupersdörfer Stierenberg auf knapp 1100 m, wo es auch eine Selbstbedienung mit Getränken, Glacen und Snacks gibt. Zeit für eine kurze Pause, dann folgt der Downhill. Dieser führt zuerst durch den Hemmesgraben, wo der Pfad teilweise etwas überwachsen ist. Ich nehme den Abzweiger zur Oberen Wengi – ein Abschnitt, den ich nicht kenne...
 
Hier warten wieder einige Dornen darauf, lustvoll zuzustechen. Bremsen, Brennnesseln und Dornen sind die Dinge, mit denen ich in diesem Sommer deutlich mehr Bekanntschaft mache als auch schon. Auf den letzten Metern zum Restaurant Obere Wengi ist kaum noch ein Pfad zu erkennen; viel falsch machen kann man aber trotzdem nicht. Einfach geradeaus. Am Restaurant fahre ich vorbei und nehme den Singletrail zur Unteren Wengi. Dann folgt der teils ebenfalls unbekannte Downhill zum Eisenhammer bei Aedermannsdorf...

Sitzbank aus Skiern bei der Oberen Wengi
Matzendörfer Kirche aufs Korn genommen
Letzte Meter zur Schmiedenmatt
Blick durch die Stromkabel ins Mittelland
In der "Fuure" ob Farnern
Auf dem Weg nach Rumisberg
 
Es folgt der oft im Schatten verlaufende Nordaufstieg zur Schmiedenmatt, wo bei den Strommasten auf dem Grat mit 1130 m der höchste Punkt der Tour erreicht ist. Die Bremsen waren in diesem Uphill deutlich weniger zahlreich. Die Aussicht ins Mittelland ist etwas getrübt. Hier oben begegnen mir zwei Frauen, die kaum fassen können, dass man "mit diesem Velo da hinauffahren kann". Es geht aber problemlos. Nach kurzem Smalltalk wandern die beiden weiter, und ich mache mich in Gegenrichtung auf den kurzen Weg über den Grat. Auf trockenen Trails geht es dann hinab nach Wiedlisbach und bei Wangen über die Aare...
 
Mittlerweile herrschen Temperaturen, die definitiv mehr zum Baden als zum Biken einladen. Die Bremsen der Luft waren auf der Abfahrt endgültig kein Thema mehr, jedoch die am Fattie. Ein Check der Bremsflüssigkeit ist wohl angesagt. Auf möglichst wenig Teer und mit einigen Umschweifen folgen jetzt via Wangenried und am Inkwilersee vorbei die letzten Kilometer der Tour...

Höhenprofil

 

Tourdaten: Weite 69,3 km / Höhe 1750 m / Fahrzeit 4:56 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Obere Wengi / Schmiedenmatt
 

Dienstag, 26. Juni 2018

Ab nach Westen...

Wieder ein perfekter Sommertag: stabiles Wetter, etwas Bise und maximal 25 Grad! Die schöne und angenehm temperierte Wetterphase will ich unbedingt nutzen, zumal in der Mittelfrist bereits wieder schwüles Gewittergedöns und Hitze angekündigt sind. Dann werden für mich keine grossen Sprünge mehr drin liegen. Um 08.30 Uhr startet der vierte Einsatz des neuen 2018er-Bikes bei moderaten 15 Grad. Meine Inspiration, sprich Zugrichtung, ist im Moment westlich orientiert. Genau wie beim Wetter könnte sich das aber bald ändern. Zuerst geht es in nordwestlicher Richtung an die Aare, dann fast schon beharrlich gen Westen. Zu meinem Erstaunen blühen schon die ersten Sonnenblumen. Irgendwie geht heuer alles so schnell...
 
Die Strecke gleicht zu Beginn derjenigen der Bielersee-Tour vom 19. Juni 2018. Oberhalb von Bettlach enden dann jedoch allfällige Gemeinsamkeiten. Hier fahre ich relativ steil hinauf Richtung Bettlachberg und komme sofort gehörig ins Schwitzen. Die Temperatur ist zwar noch angenehm, doch die Sonne heizt ziemlich ein. Der Schweiss zieht verschiedene liebens- wie auch merkwürdige Tierchen an. Vielleicht handelt es sich teilweise um aus fernen Landen importierte Exemplare. Jedenfalls fliegen mir hier Insekten um die Ohren, die wohl selbst Andreas Moser noch nie gesehen hat. Unterhalb des Bettlachbergs biege ich auf gut 900 m links ab, und die Steigung wird deutlich bescheidener. Durch die Ebenimatt geht es Richtung Stierenberg und weiter zum Wäsmeli unterhalb des Grenchenbergs...
 
Nach kurzer Abfahrt auf relativ breiter Naturstrasse fahre ich weiter bergwärts zum Bürenkopf. Der Forstweg geht am Schluss in einen mässig ansteigenden Singletrail über, der sich auf gut 1200 m auf einer Wiese im Niemandsland verliert. Das Gatter, das man hier öffnen muss, ist gewissermassen das Tor zum Berner Jura – befindet es sich doch direkt an der Kantonsgrenze. Ein kaum erkennbarer Weg führt hinab zum Oberen Bürenberg. Nochmals ein paar Höhenmeter aufwärts, dann verläuft der Weg auf knapp 1300 m einige Kilometer über die Montoz-Hochebene. Hier oben kommt man mit "Bonjour" und "Grüessech" etwa gleich weit. Viele Leute sind Bilingue. Verdursten muss man auch nicht: Regelmässig kommt man an einem Restaurant vorbei...

Frühe Sonnenblumen
Finde den Weg beim Grenchenberg
Montoz-Hochebene auf ca. 1280 m

Beim Werdtberg folgt eine etwas längere Abfahrt auf Wegen sämtlicher Beschaffenheit: Zuerst ein flüchtiger Wiesenpfad, später ein bachbettartiger Singletrail, ein Forstweg und der Rest auf Teer – so erreiche ich Tavannes, wo eine kurze Pause ansteht. Die nächste Steigung nach La Tanne folgt prompt, und nach kurzem Downhill streife ich Tramelan. Via Les Reussilles geht es erneut bergwärts. In dieser Gegend wird ziemlich fleissig geheut. Hoffentlich reagiert mein Körper sportlich darauf und nicht allergisch. Es ziehen allmählich einige Wolken auf. Mehr als Zierde werden diese aber kaum sein, die Luft ist zu trocken und der Himmel entsprechend tiefblau. Ein Sommertag par excellence. Der Boden ist furztrocken, die Traktoren wirbeln ordentlich Staub auf...
 
Auf einem wurzeligen Singletrail geht es wieder ein wenig hinab und schliesslich nahe La Chaux-des-Breuleux in den Kanton Jura. Hier folge ich längere Zeit der Mountainbike-Beschilderung. Mit leichtem Auf und Ab, vorbei an Einzelhöfen und durch die typischen Fichtenwälder, fahre ich meist auf Naturstrassen und Wiesenpfaden durch die Freiberge Richtung Westen. Nicht unbedingt bike-, aber pferdefreundlich ist die Route mit speziellen Weidetoren, die man auf dem Pferd sitzend öffnen kann und sich danach von selbst wieder schliessen. Die Landschaft wird irgendwie immer einsamer. Das Dorf Les Bois taucht zwar bereits auf dem GPS-Gerät auf; es muss also schon sehr nah sein. Dennoch ist weit und breit kaum ein Haus zu sehen. Das ändert sich jedoch, als ich über eine Kuppe fahre...

Tavannes
Unterwegs bei Les Breuleux
Unterwegs bei Chaux d'Abel
Bald müsste Les Bois zu sehen sein
Da erscheint es: Les Bois
Les Bois
 
Nach exakt 84 Kilometern ist das Tagesziel, Les Bois, erreicht. Oder Rudisholz, wie meine deutschsüchtige Kartensoftware das Dorf nennt. Hier muss ich unbedingt die Trinkvorräte auffüllen. Als die Kassiererin im Dorfladen CHF 27.50 für die drei Halbliterfläschchen verlangt, wünsche ich mir, meine Französischkenntnisse wären besser. Doch bevor ich mich zu einem "ça coûte cher" durchringen muss, bemerkt die Frau den Fehler und korrigiert auf CHF 4.50. "Bonne journée" und "pareillement" habe ich hingegen voll drauf und verlasse den Laden wieder. Les Bois ist die westlichste und südlichste Gemeinde des Kantons Jura und sorgt zusammen mit La Chaux-de-Fonds dafür, dass dem Kanton Bern seit knapp 40 Jahren etwa 200 Meter zum Grenzkanton fehlen...

Obwohl mir Les Bois gefällt, ist auch heute eher der Weg als das Ziel das Ziel (oder so ähnlich). Es scheint, als hätte das auf 1034 m gelegene Dorf auch schon bessere Zeiten erlebt. Zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "à louer" oder "à vendre" sind vor den Lokalitäten zu sehen. Nach der Pause fahre ich durch die einsame Landschaft zum Hof Le Bousset, dann folgt die Steigung zum Mont-Soleil, wo sich sprichwörtlich (fast) alles um die Windkraft dreht. Sinnigerweise gibt es auf dem Sonnenberg aber auch ein Solarkraftwerk. Auf 1291 m ist der höchste Punkt des Höhenrückens erreicht. Auf Naturstrassen und einem kurzen Singletrail geht es an zahlreichen Windrädern vorbei zum Mont Crosin. Die Dinger sind weitherum sichtbar und sorgen auch für eine ordentliche Geräuschkulisse...

Chasseral vom Mont-Soleil aus
Mont-Soleil auf 1250 m
Viele Windräder auf dem Mont-Soleil
 
Die Tour ist bereits dreistellig geworden. Auf der Passhöhe des Mont Crosin nehme ich den Wanderweg zur Bise de Cortébert. Der Abschnitt nach "Au Chalet" führt zuerst singletrail-ähnlich durch Unkraut, dann leicht ansteigend über eine zertrampelte Wiese. Wenig begangen und nicht unbedingt der Weg des geringsten Widerstands. Offenbar bevorzugen viele Wanderer das Teersträsschen, das unweit des Pfads verläuft. Bei der Bise de Cortébert folgt ein etwa anderthalb Kilometer langer Singletrail runter Richtung Courtelary. Dieser Trail hatte bei der Tourenplanung eine nicht unerhebliche Rolle: Wegen ihm habe ich die Fahrtrichtung umgestellt. Ihn auf dem Hinweg zu fahren, und somit mitten im Aufstieg Höhe zu vernichten, erschien mir irgendwie unnatürlich...
 
Also baue ich ihn eben auf dem Rückweg ein, auch wenn er dabei in die falsche Richtung zeigt. Der Trail ist ganz nett und flowig (abgesehen von einer kurzen Treppe), jedoch nichts Exklusives. Bin wohl zu verwöhnt von den Trails in unserer Region. Beim Downhill steigt die Temperatur spürbar. Erstmals seit längerem befinde ich mich wieder auf dreistelliger Meereshöhe. Zudem ist hier Sonnseite. Auf 919 m folge ich einem Forstweg, an dessen Ende gemäss Karte nochmals ein kurzer, Richtung Cortébert führender Singletrail sein soll. Doch da ist zu Beginn kaum etwas. Nur mit viel Fantasie erkennt man unter hohem Laub einen Trail. Am Ende ist dann aber doch noch was: riesige Dornen- und Brennnesselsträucher. Da braucht man zum Durchkommen kein Bike, sondern ein Buschmesser...

Auf der Abfahrt Richtung Courtelary
Schüss (La Suze) bei Sonceboz-Sombeval
Der Schüss entlang Richtung La Heutte
 
Das Berühren von Brennnesseln soll ja gut sein für die Hautdurchblutung. Insofern ist das hier wenigstens ein gesunder Tourenabschnitt. Ich kämpfe mich durchs Dickicht und bin froh, endlich wieder einen schönen Forstweg zu sehen. Das war nix. Eine Fehlplanung aus Unwissenheit. Und, hat mich das jetzt gekratzt? Ja, durchaus. Zudem muss ich dafür bluten. Aber beim Mountainbiking kommt man der Natur manchmal näher als gewollt. Unspektakulär geht es dann den Rest hinab, durch Cortébert und auf normalen Feldwegen Richtung Sonceboz-Sombeval. Hier folgt ein schöner Abschnitt durch eine kleine Schlucht der Suze (Schüss) entlang. Wenig später wird La Heutte durchfahren, dann erreiche ich Péry, wo eine letzte Pause angesagt ist. Es ist schon 18.00 Uhr geworden...
 
Zum Glück hat der Dorfladen noch offen. Im Anschluss geht es mit leichter bis höchstens mässiger Steigung durch eine weitere Schlucht aufwärts. Über 10 Kilometer braucht das Strässchen, um die knapp 500 Höhenmeter bis zum Wäsmeli auf 1102 m zu erklimmen. Unterwegs überquert man nebenbei Kantons- und Sprachgrenze, die nicht unbedingt identisch sein müssen. In Gegenrichtung lockt zwar eine lange Abfahrt; allerdings ist diese für Mountainbiker eher langweilig, für Rennradler hingegen wohl auch nicht der Hit, da überwiegend Naturstrasse. Die ersten 200 Höhenmeter der Wäsmeli-Abfahrt folgen auf Teer und Forstweg, dann nehme ich unterhalb des Bettlachbergs auf 902 m einen mir unbekannten Singletrail, der die Abfahrt etwas abkürzt, was solche Pfade ja öfter tun...
 
Mit nur gut 700 Metern Länge ist er zwar nicht gerade unendlich, schüttelt einen aber dennoch ordentlich durch und ist auch für einen bestenfalls durchschnittlich begabten Biker wie mich fahrbar und spassig. Allerdings sind die abendlichen Lichtverhältnisse etwas tricky. Nach dem Trail geht es mit der tief stehenden Sonne im Rücken Richtung Solothurn. Auch wenn es knapper als auch schon an der Stadt vorbei geht, kriege ich nichts davon mit. Schliesslich erreiche ich wieder die Aare. Wenig später zu Hause angekommen, brauche ich das Bike nicht zu waschen – abstauben genügt. Von den vielen Dornen- und Insektenstichen müsste ich eigentlich schon fast blutleer sein. Alles andere als blutleer war hingegen diese Tour...


Höhenprofil



Tourdaten: Weite 168,8 km / Höhe 3260 m / Fahrzeit 10:36 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Les Bois / Mont-Soleil