Dienstag, 16. Mai 2017

Kalt geduscht...

Ein Hochsömmerchen haben die Meteorologen versprochen. Drei ganze Tage ohne Regen, ideal zum Biken. Und zum Heuen. In der Tat heue ich wieder viel zu lange herum, bis es gegen 10.00 Uhr endlich so weit ist. Auf ganz grosse Fahrt soll es heute vorsichtshalber nicht gehen. Bei der sehr hohen Pollenbelastung gehe ich dieses Risiko lieber nicht ein, will mich nicht zu weit aus dem Heufenster lehnen. Dieser Entscheid sollte sich später als weise herausstellen. Eine weitere Dreizack-Tour ist stattdessen angesagt. Immerhin. Zuerst einmal nach Wangen, dann der Aare entlang...
 
Die vielen Abstimmungsplakate erinnern mich daran, dass ich den Stimmzettel noch ausfüllen muss. Was da alles geschehen wird, wenn ich falsch stimme… Fatal. Über 3'200 Franken pro Jahr muss ich mehr für den Strom bezahlen. Und erst noch auf Kaffee verzichten. Nun, ich bin kein Kaffeetrinker. Insofern wäre das für mich persönlich verkraftbar. Aber 3'200 Franken – dafür muss eine Oma lange stricken. Kalt duschen muss ich auch noch. Na ja, das mache ich heute bereits freiwillig. Ab und zu. Wäsche waschen nur noch bei Sonnenschein möglich? Das hingegen könnte gerade für einen Mountainbiker zum echten Problem werden…
 
In Flumenthal sind seit einigen Monaten fast sämtliche Bahnübergänge geschlossen, was mich zu einer Dorfrundfahrt zwingt. Etwas später stehe ich am Berg – am Balmberg. Die alte Passstrasse spüre ich besser als auch schon; am Weissenstein fühle ich mich dann immer besser. Mit der Jahreszeit macht auch meine Form Fortschritte. Oder eher Fortschrittchen nach dem Motto: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Eine stark sprunghafte Verfassung mit Aufwärtstendenz, das ist die Tradition der Kondition im Mai. Wechselhaft und unberechenbar. Genau wie das Wetter im Wannemonat. Pardon, Wonnemonat...

Vom Weissenstein nehme ich die Mist-bin-ich-jetzt-schon-zu-weit-runter-gefahren?-ah-nein-hier-muss-ich-links-abbiegen-Variante. Diese enthält ein paar coole Singletrails. Von Gänsbrunnen geht es via Les Vaivres nach Corcelles, und schon stehe ich wieder am Berg. Diesmal am Mont Raimeux. Den nahrhaften Uphill fahre ich wie auf rohen Eiern, ganz sachte. Sanftes Knorzen sozusagen. Keine 20 Grad hat es, aber die fühlen sich an der Sonne an wie 30. Der Schweiss tropft und tropft. An warme Temperaturn bin ich noch nicht wirklich gewöhnt. Schliesslich erreiche ich die Hochebene des Mont Raimeux auf rund 1300 m...
 
Hochebene des Mont Raimeux
Blick zum höchsten Punkt des Kantons Jura
Beim Aussichtsturm des Mont Raimeux
Blick auf Delémont
Schöne Hochebene...
Raimeux de Grandval
 
Auf vielen Jurahöhen wird noch immer deutsch gesprochen, historisch bedingt. Anscheinend auch hier: Am Eingang des Restaurants bei Raimeux de Grandval steht "Willkommen", nicht "Bienvenue". Ich fahre schnell um den höchsten Punkt des Kantons Jura herum, den Aussichtsturm auf 1302 m, und nehme dann den Singletrail bei der Combe des Geais ins Visier. Dieser ist auf vielen Karten nicht zu finden und in offenem Gelände teils kaum oder gar nicht zu erkennen. Aber vor einigen Jahren bin ich den Trail schon mal gefahren, also werde ich ihn auch heute ohne Hilfe des GPS wieder finden. Denke ich...
 
Tatsächlich fahre ich goldrichtig, finde den Einstieg immer wieder. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Irgendwo verpasse ich dann doch einen Abzweiger und irre wenig später im Gebiet Gressins Dessus umher. Mein Stolz ist besiegt. Ich muss doch das GPS fragen. Dieses führt mich wieder zurück auf den richtigen Weg und macht damit sogar mal einen guten Job. Weiter geht es auf dem spassigen, meist flowigen Trail – ab und zu auch mit guter Aussicht. Zum Schluss wird er dann etwas technischer mit zahlreichen Kehren, die für mich teils zu eng sind...

Ausblick oberhalb von Belprahon
Blick auf Grandval und Crémines
Einsamer Pfad...
Unterwegs bei der Combe des Geais
Singletrail bei der Combe des Geais
Netter Singletrail
 
Die insgesamt rund 5 Kilometer Trailspass enden schliesslich vor den Toren Moutiers, wo sehr fleissig Gras gemäht und gewendet wird. Via Belprahon, Grandval und Crémines geht es der Raus entlang raus aus dem frankofonen Teil des Landes. Jedes Ende ist bekanntlich auch ein Anfang. Die französische Sprache endet für heute, dafür kommt etwas Neues: der Hustenreiz. Wie toll, ich habe schon gar nicht mehr daran gedacht. Es folgt "Das grosse Leiden in der zweiten Maidekade", Teil 15. Jedes Jahr mindestens eine Folge. Sponsored by: Gräserpollen. Zumindest nehme ich an, dass diese die Ursache sind. Genau weiss ich das nicht...
 
Was ich aber genau weiss, ist, dass ich noch auf der "falschen" Seite des Bergs stehe und jetzt gewissermassen mit plombiertem Motor da rüber muss. Wenn ich trotzdem hochfahre, nennt man das dann Charakter oder dumm? Später stehe ich hustend auf der Passhöhe des Weissensteins. Geschafft – irgendwie. I'm totally exhausted, wie der Franzose sagt, wenn er des Englischen mächtig ist. Via Balmberg geht es runter Richtung Günsberg und hinab an die Aare. Selbst in der Ebene habe ich jetzt Mühe und bin langsam. Ab und zu mal schweift der Blick nach hinten, ob eventuell eine Weinbergschnecke an mir vorbei will...

Blick rüber zum Graitery
Blick auf Belprahon und Eschert
Moutier mit Mont Girod und Moron im Hintergrund
Moutier
Balmberg mit dem Mittelland
Auf dem Balmberg
 
Schliesslich komme ich zu Hause an. Hoffentlich habe ich das Gehuste jetzt wenigstens wieder für ein Jahr hinter mir. Sei es, wie es sei, die Tour war genial. Ich schmeisse die Wäsche in die Waschmaschine. Die Sonne scheint ja zum Glück noch. Und jetzt will ich nur noch eins: kalt duschen…


Höhenprofil

 
 
Tourdaten: Weite 89,3 km / Höhe 2470 m / Fahrzeit 6:54 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Weissenstein-Mont Raimeux-Weissenstein
 

Mittwoch, 10. Mai 2017

Runde Sache...

Unfassbar blau ist der Himmel heute, an diesem zweiten trockenen Tag des Mai 2017. Ich kann nicht behaupten, letzte Nacht kein Auge zugemacht zu haben. Im Gegenteil: Ich hatte sogar beide zu – konnte aber trotzdem nicht schlafen. Den heutigen Tag will ich jedoch unbedingt ausnutzen. Es wird aber wieder fast 10.00 Uhr, bis ich mich auf den Weg mache. Ausnahmsweise sogar mit einem Plan im Kopf: Eine klassische Dreizack-Tour soll es geben. Zuerst geht es nach Wangen, dann der Aare entlang Richtung Balm. Es folgt die alte Balmbergstrasse, die ich sehr gemächlich hochsteige, danach die Zugabe zum Weissenstein...
 
Dort oben fühle ich mich noch taufrisch, so, als hätte ich heute noch nichts gemacht. Und das trotz schlafloser Nacht. Gut so! Der Downhill nach Gänsbrunnen ist weder fahr- noch erlebnistechnisch speziell: Ein bachbettartiger, steiler Karrweg vernichtet die Höhenmeter rasch. Allemal besser und bikefreundlicher als die Teerstrasse. Der Weg haut einen nicht aus den Socken, aber aus dem Sattel, wenn man nicht aufpasst. Letztes Mal war ich hier kurz unachtsam, was eine Abstuhlung zur Folge hatte. Und deshalb fahre ich dieses Mal fast übervorsichtig da runter. Mein Bike ist mehr Bremszeug als Fahrzeug...
 
Bei Gänsbrunnen passiere ich die Bonjour-Grenze nach Crémines und weiter Richtung Moutier. Den Kern des (noch?) grössten Orts des Berner Juras umfahre ich auf einem sehr grünen Singletrail. Dann geht es im Westen des Dorfes durch eine recht ruhige Quartierstrasse, und Moutier ist für heute Geschichte. Schliesslich durchfahre ich das beschauliche Perrefitte. Dieses wirkt etwas verschlafen – wie ich. Jetzt geht es rund 200 Höhenmeter recht steil bergauf. Der Weg wird immer steiler und flüchtiger. Zuerst noch ein breiter Forstweg, am Schluss nur noch ein Wiesentrail...
 
Meine leise Hoffnung, die vielen Zäune und Gatter könnten eventuell noch offen sein, zerschlägt sich: Die Kühe weiden hier bereits, alles ist zu. Die Sonne scheint so richtig in den Hang, ich komme ganz schön ins Schwitzen. Jedes Mal, wenn ich mich an einem Kuhfladen vorbeikämpfe, scheuche ich ganze Fliegenschwärme auf. Wenn so eine Sch(m)eissfliege die Auswahl hat zwischen frischem Kuhfladen und würzigem Schweissgeruch, steht sie offenbar vor einem Luxusproblem. Jedenfalls entscheiden sich einige der Tierchen, lieber mir ein bisschen um die Ohren zu schwirren. Toll. Vor allem wenn man weiss, woher sie gerade kommen...
 
Nach dem steilen Aufstieg folgen noch ein paar Wege unterschiedlicher Beschaffung, und nach einem kurzen Irrweg ist das Ziel erreicht: Der 1037 m hohe Aussichtspunkt des Mont Girod. Von hier hat man einen schönen Blick Richtung Nordosten. Als ich auf Moutier hinabschaue, erinnere ich mich an die vielen BE-Schilder, die ich dort an den Fahrzeugen gesehen habe. Was dort wohl in absehbarer Zeit draufstehen wird? Immer noch BE? Oder JU? Oder als Kompromiss vielleicht VD? Beim vor mich hin Sinnieren zeigt der mangelnde Schlaf der letzten Zeit allmählich Wirkung: Ich nicke ein...

Grüne Umfahrung von Moutier
Singletrail nahe Moutier
Blick von Moutier bis Corcelles mit Mont Raimeux
Blick vom Mont Girod auf Moutier
Lac Vert oberhalb von Court
Lac Vert oberhalb von Court
 
Als ich wieder erwache, ist es etwa eine Dreiviertelstunde später. Gegen Westen hin sind Wolkenfelder zu erkennen, die vorher noch nicht da waren. Zum Glück war das einmal mehr nicht der Schlaf des Gerechten, sonst wäre ich wohl erst bei Dunkelheit wieder aufgewacht. Erfrischt hat mich die ungeplante Pause allerdings ganz und gar nicht: Jetzt fühle ich mich so richtig müde. Ich bike hinunter zum Lac Vert, einem kleinen, idyllischen See, dessen Name Programm ist, dann folgt die Abfahrt nach Court. Nun steht noch der Grenchenberg im Weg. Diesen erklimme ich ausnahmsweise fast ausschliesslich auf der Strasse.
 
Das auf dem Mont Girod war definitiv kein Powernapping. Eher ein Powernepping. Mit der guten Fitness ist es jedenfalls vorbei, der Grenchenberg zerlegt mich fast. Das Fleisch ist schwach, der Geist aber noch immer willig. Auf 1360 m erreiche ich den höchsten Punkt der Tour. Die Wolken im Westen haben sich mittlerweile verdichtet, während im Osten nach wie vor viel Blau zu sehen ist. Insofern fahre ich jetzt in die richtige Richtung. Mit viel Aussicht bike ich via Bützen runter zum Bettlachberg, dann hinab nach Lommiswil und um Solothurn herum nach Hause. Exakt 100 Kilometer sind es am Ende, eine runde Sache...

Court mit Montoz-Plateau im Hintergrund
Court BE
Trail am Grenchenberg
Singletrail am höchsten Punkt der Tour
Ein Bild mit Symbolcharakter heute...
Blick Richtung Solothurn
 
Höhenprofil

 

Tourdaten: Weite 100,0 km / Höhe 2720 m / Fahrzeit 6:49 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Weissenstein-Mont Girod-Grenchenberg
 

Freitag, 5. Mai 2017

Alles neu macht der Mai...

...macht die Seele frisch und frei, heisst es in einem Lied. Der Mai kommt in diesem fröhlichen Text aber wohl nur vor, damit es sich reimt. Zwar hat der sogenannte Wonnemonat die letzten Jahre tatsächlich alles neu gemacht: Kaum war der April vorbei, folgte das Regenwetter. So auch heuer. Zugegeben, das Nass ist für die Natur sehr willkommen nach der langen Trockenheit. Dennoch: Mit dem, was er in der Vergangenheit wettermässig geboten hat, hat es der Mai nicht mehr in die Top Ten meiner Lieblingsmonate geschafft – obwohl er das Zeug zum Podestplatz hätte. Aber ich kann vergessen und verziehen...
 
Also, du lieber, schöner Mai – zeig mir, woher all die Schönheit und Romantik kommt, die dich umgab und noch immer umgibt. Erst der Fünfte des Monats und bereits der erste trockene Tag. Schon mal ein Anfang, prima! Wegen verschiedener Termine wird es jedoch ziemlich spät – grosse Sprünge sind heute leider keine mehr drin. Der Stundenzeiger zeigt nämlich bereits nach Südosten, als ich starte. Die Zugrichtung Nord hat sich richtig festgefahren. Ich lande wieder mal im Thal, genauer in Aedermannsdorf. Meine Existenz hat sich über die Wintermonate um rund sieben Kilo gefestigt. Knapp zwei davon hat der April abgebaut...

Die restlichen fünf spüre ich gut beim Steilaufstieg zur Wäscheten. Das ging letzten Sommer leichter. Es folgt noch etwas Teerstrasse, und schon stehe ich auf der Tannmatt auf 1122 m. Hier bin ich kurz unschlüssig, was ausgesprochen selten vorkommt, bike dann aber entschlossen runter zum Vorderen Brandberg. Der Hinterreifen hat mittlerweile fast eine Glatze, viel Grip bietet er jedenfalls nicht mehr. Zeit, ihn mal wechseln. Vom Brandberg fahre ich über einen spassigen Trail hinab zur Herbetswiler Allmend. Der Singletrail nach Herbetswil ist am Schluss mit einem Schild versehen: "Vorsicht, Stier auf der Weide. Wanderweg meiden!"...

Frühlingslandschaft
Frühling in Blau, Grün und Gelb
Trail zum Vorderen Brandberg
Ausblick ins Thal von der Tannmatt
Zoomaufnahme (oben links Herzogenbuchsee)
Mittelland vom Stierenberg aus
 
Das Schild bietet zugleich noch die Anleitung zur Umleitung. Nimmt mich hier wirklich der Stier aufs Horn oder nur der Bauer aufs Korn? Ich gehe lieber auf Nummer sicher, umfahre die Stelle gemäss Beschreibung, um dann von der unteren Seite her festzustellen, dass die Weide einsam und verlassen ist. Der Stier weilt wohl noch in den Skiferien. Von Herbetswil fahre ich hinauf zur Schmiedenmatt. Mein Schatten hat ziemlich an Länge gewonnen und zeigt mehr und mehr nach Osten. Licht habe ich nicht dabei, es darf also kein Nachtspiel geben...
 
Ich bike einige Hundert Meter über den Grat und nehme dann einen aussichtsreichen, teils etwas holprigen Trail, den ich noch nie gefahren bin. Er führt direkt zum Stierenberg runter. Trotz des Namens: Auch hier kein Stier. Dafür aber recht klare Aussicht. Auf weitgehend bekannten Wegen geht es weiter abwärts nach Wiedlisbach. Die Sonne verschwindet hinter dem Jura. Es wird nicht nur merklich dunkler, sondern auch kühler: Das Thermometer am GPS zeigt einen einstelligen Wert. Gleich zwei gute Gründe, auf den restlichen zehn Kilometern etwas auf die Tube zu drücken. Die Lampen sind noch nicht an, als ich zu Hause ankomme...

Abendstimmung am Stierenberg
Aussichtsreicher Trail...
Lamas und Pferde bei Farnern
Komm du nur, ich spucke zurück
Sonnenuntergang im Frühling
Leuchtender Raps bei Wiedlisbach
 
Die Touren sind in letzter Zeit etwas näher zusammengerückt. So langsam wird es Zeit für eine etwas grössere. Aber der Mai muss mitspielen. Daher kurz der Blick auf die Wetterprognose für das Wochenende und darüber hinaus: Ach ja, das Maiwetter kehrt zur Normalität zurück. Aber der Wonnemonat hat ja noch etwas Zeit, für Wonne zu sorgen. Und ansonsten gilt das Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, schifft es sich ganz ungeniert...


Höhenprofil



Tourdaten: Weite 67,5 km / Höhe 1850 m / Fahrzeit 4:37 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Tannmatt / Schmiedenmatt